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Erweiterte Anwendung systemischer Therapien: Rituximab, Thalidomid und TNF alpha-Inhibitoren zur Behandlung komplexer Dermatosen

Die Behandlung von Patienten mit komplexen Dermatosen, z. B. Pyoderma gangraenosum, kutanem Lupus erythematodes und B‑Zell-Erkrankungen wie Pemphigus, kann Dermatologen vor eine besondere Herausforderung stellen. Diese Erkrankungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Viele Patienten kommen für spezielle Therapien zum Arzt, auch, nachdem sie jahre- oder gar jahrzehntelang erfolglos behandelt worden waren. Diesen Patienten zu helfen erfordert einen erweiterten Einsatz von systemischen Therapien. George F. Cohen, Associate Clinical Professor und Dermatology Residency Program Director an der Florida State University, USA, erläuterte die Gründe für den Einsatz von Rituximab, Thalidomid und Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren. In manchen Fällen werden sie auch off-label eingesetzt, um dem bestmöglichen Patientenwohl gerecht zu werden.

Den Richtlinien der Food and Drug Administration der USA entsprechend können Ärzte ein Arzneimittel für eine Indikation off-label einsetzen, vorausgesetzt, sie sind über das Arzneimittel gut informiert, seine Anwendung beruht auf solider wissenschaftlicher Basis und robuster klinischer Evidenz, und die Anwendung des Arzneimittels sowie seine Wirkungen werden dokumentiert. Bei Erwägung einer zulassungsüberschreitenden Anwendung müssen die Patienten über die damit verbundenen Risiken und Vorteile sowie Alternativen und Einschränkungen informiert werden und ihre Einwilligung nach Aufklärung geben. Die Patienten müssen sich bei der Überwachung ihrer Therapie als aktive Partner der Ärzte verstehen, Laboruntersuchungen bei Bedarf zustimmen und dem Arzt alle eventuell auftretenden Nebenwirkungen berichten.

Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper (mAb) gegen das B-Zell-Antigen CD20. Es ist ein chimärer Antikörper, der aus murinen, als auch humanen Anteilen besteht. CD20 ist auf den Oberflächen aller B-Zellen vorhanden. Daher richtet sich Rituximab gegen gesunde, maligne und Antikörper-produzierende B-Zellen. Rituximab eignet sich daher für B‑Zell-Malignome sowie für Autoimmun- und entzündliche Erkrankungen, die durch B‑Zellen ausgelöst werden. Drei Mechanismen spielen bei der Wirkungsweise von Rituximab eine Rolle: Antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität, die zur Zell-Lyse führt, Komplementaktivierung, durch die die Zielzellen für das Abtöten durch Effektorzellen markiert werden, sowie Apoptose.

Es können schwere, manchmal tödliche Infusionsreaktionen, wie beispielsweise ein anaphylaktischer Schock, auftreten. Diese stehen mit Antikörpern in Zusammenhang, die gegen den murinen Anteil von Rituximab gebildet werden. Daher sollte Rituximab am besten in einem Infusionszentrum verabreicht werden. Die Patienten sollten mit Diphenhydramin, Methylprednisolon und Paracetamol vorbehandelt werden. Das Arzneimittel wird als intravenöse Infusion in Kochsalzlösung gegeben. Noradrenalin und weitere, im Rahmen eines Advanced Cardiac Life Support (ACLS) angewendete Arzneimittel sollten jederzeit verfügbar sein.

Cohen berichtete über Fälle, in denen Rituximab bei Patienten mit belastendem und entstellendem Pemphigus vulgaris und Pemphigus foliaceus sowie mit einigen blasenbildenden Erkrankungen erfolgreich angewendet wurde. Darunter waren auch Patienten, die auf hohe Dosen von systemischen oder intraläsionalen Steroiden nicht ansprachen.

Thalidomid kann eine weitere Behandlungsoption bei komplexen Dermatosen sein. Thalidomid ist ein in Verruf geratenes Arzneimittel, das in den 1950er und 1960er Jahren aufgrund von unsachgemäßer Anwendung zur Prävention morgendlicher Übelkeit bei schwangeren Frauen zu schweren Geburtsfehlern führte. Inzwischen wird es wegen seiner vielfältigen biologischen Effekte geschätzt und z. B. als Anti-TNF- und antientzündlicher Wirkstoff, zur Verringerung von Chemotaxis und Phagozytose, sowie als antiangiogener und antineoplastischer Wirkstoff eingesetzt. Es wurde 1998 zur Behandlung des Erythema nodosum leprosum (ENL) zugelassen, eine Lepra-Reaktion Typ 2, die durch mit Entzündungsprozessen und Nervenschädigung assoziierte Antikörper-Antigen-Reaktionen vermittelt wird. Weiterhin wurde es zur Behandlung myelodysplastischer Syndrome zugelassen. Neuere Derivate von Thalidomid sind inzwischen ebenfalls verfügbar.

Thalidomid wird oral verabreicht. Patienten müssen an einem Schwangerschafts-Beratungsprogramm (Risk Evaluation and Mitigation Strategy [REMS] program) teilnehmen. Es kann stets nur eine für 28 Tage ausreichende Arzneimittelmenge verabreicht werden. Während der Behandlung kann es zu geringgradiger Neuropathie kommen, die jedoch nach Unterbrechung der Behandlung abklingt. Zwei häufige Nebenwirkungen, die jedoch einfach behandelt werden können, sind Verstopfung und Schläfrigkeit.

Cohen hat Thalidomid nicht nur zulassungsgemäß bei ENL eingesetzt, sondern auch zulassungsüberschreitend zur Behandlung von Prurigo nodularis und von diskoidem Lupus erythematoses (DLE) angewendet. Er führte aus, dass das Arzneimittel im letzteren Fall zum Abklingen entstellender Läsionen, zur Repigmentierung und zur Linderung bei schmerzenden palmaren Läsionen beitragen kann. Andere Off-Label-Anwendungen von Thalidomid erfolgten bei durch Graft-versus-Host-Reaktion bedingter Mukositis und bei hartnäckigen Aphthen, die Infektionen mit humanem Immundefizienzvirus (HIV) begleiten können.

Er beschrieb darüber hinaus seine Erfahrungen mit der zulassungsgemäßen und zulassungsüberschreitenden Anwendung von Anti-TNF-Wirkstoffen, wie z. B. Adalimumab und Infliximab. Adalimumab ist ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper, der zur Behandlung der Plaque-Psoriasis und der Hidradenitis suppurativa zugelassen ist und zulassungsüberschreitend auch bei anderen dermatologischen Erkrankungen eingesetzt werden könnte. Patienten müssen vor der Verabreichung von Adalimumab auf Tuberkulose, Hepatitis B, HIV und andere Infektionen getestet werden.

Cohen hat Patienten mit Pyoderma gangraenosum mit der „Psoriasis-Dosis“ von Adalimumab (80 mg subkutan verabreicht an Tag 1, 40 mg eine Wochen später und daraufhin 40 mg alle 2 Wochen) erfolgreich behandelt. Einige dieser Patienten blickten auf eine komplexe Krankheitsgeschichte und Komorbidität zurück, wie z. B. zugrundeliegende rheumatoide Arthritis, entzündliche Darmerkrankungen, Colitis ulcerosa und postoperative Pyoderma gangraenosa, sowie auf erfolglose Behandlungen mit hohen Dosen von Corticosteroiden und/oder Antibiotika. Er berichtete, dass die Anti-TNF-Therapie bei diesen Patienten zu bemerkenswerten Verbesserungen führte, wobei er darauf hinwies, dass Läsionen an den unteren Extremitäten unter Umständen langsamer heilen.

Bei komplizierteren und hartnäckigen Fällen verwendete er Adalimumab oder Infliximab in Kombination mit Thalidomid und Ciclosporin.

Darüber hinaus setzte Cohen Anti-TNF-Wirkstoffe auch bei dissezierender Cellulitis und Karpaltunnelsyndrom in Verbindung mit Psoriasis ein.